Kölner Stadtanzeigers

Kann man von einer Band im einundzwanzigsten Jahr ihres Bestehens noch großartige Innovationen erwarten? Und haben nicht Radiohead über sechs sagenhafte Alben bereits gezeigt, wohin und wie weit man als Band zur Jahrtausendwende gehen kann? „Hail to the Thief“ das bislang letzte Radiohead-Album von 2003 schien da erst einmal die Summe der bis dato eroberten Positionen zu ziehen. Wohin also sollte der Weg von da führen? Nun, erst mal zur Abschaffung der Plattenindustrie, wie wir sie bisher kannten. Die Männer aus Oxfordshire verhandelten nach dem Auslaufen ihres Vertrages mit der EMI nicht mehr neu, führen stattdessen die Internetseite www.radiohead.com neu hoch. Auf der kann man sich seit dem 10.10 das neue Album „In Rainbows herunterladen. Zum Preis von was-auch-immer-man-zahlen-will. Für besonders engagierte Fans, von denen Radiohead ja mehr als genug haben, gibt es auch noch ein teures Boxset mit CD, Doppel-Vinyl und Extratracks vorzubestellen.

Weit über eine Million haben sich schon am ersten Tag „In Rainbows“ auf die Festplatte geholt. Künstlerisch sind sie nicht enttäuscht worden. Die ersten 40 Sekunden von „In Rainbows“ – Thom Yorke sing allein zu einem sperrigen Drumpattern – täuschen, denn dann setzt Jonny Greenwoods warme Gitarre auf dem rechten Kanal ein und kurze Zeit später folgt ein warmer Bass zur Linken. Was folgt ist ein echtes Spätwerk. Ein melodie- und -doch, wirklich – geigen-seliges, schwelgerisches Album, Radioheads „Abbey Road“.

Nie klang die Band schöner und man muss schon bis zum zehn Jahre alten „O.K. Computer“ zurückgehen, um vergleichbar elegische Töne zu vernehmen. Manche schrieben schnell von Radioheads neuer Entspanntheit. Dabei wütet im Untergund von „In Rainbows“ die Paranoia, perlt der Angstschweiß aus den Boxen. „I`m talking to you/after it`s too late/From my videotape“ säuselt Yorke im letzten Track. Dazwischen kann man sich in Jahrundertsongs wie “Nude” verlieren oder bei krautigen Rockern wie “Bodysnatchers” über Radioheads Vorbildfunktion für Brit-Bands wie Bloc Party nachdenken.

Übrigens: Erst Anfang 2008 soll „In Rainbows“ auch auf einem physischen Tonträger im Vertrieb einer der großen Plattenfirmen erscheinen.