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Thema: So many books, so little time

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  1. #1
    The Eraser Avatar von David
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    Standard AW: So many books, so little time

    Zitat Zitat von simon Beitrag anzeigen
    Hm... Ich glaub eigentlich nicht, dass die Analyse und Schilderung der Gesellschaft Hauptintention von Proust ist. Es ist Teil des ganzen und gehört so auch geschildert, weil es eben das Umfeld ist, in dem sich die Liebe Swanns abspielt, aber wenn du mich fragst ist es als solches mehr oder weniger austauschbar. Vielleicht argumentier ich da aber auch mehr von der ganzen Recherche aus, wenn man Eine Liebe Swanns für sich liest, bekommt man wahrscheinlich einen anderen Eindruck, als wenn man es im Kontext liest. So z.B. von wegen allwissender Erzähler: Den gibt es in der Recherche so ja eigentlich nicht; ist auch eigentlich ein Bruch in der Logik, dass der Ich-Erzähler das alles wissen soll, was er in der Liebe Swanns erzählt.
    Jedenfalls... glaub ich nicht, dass es diesem darum geht, zu ironisieren, denn das setzt ja vorraus, dass man etwas erst einmal zu verstehen und dann darüber zu stehen glaubt. Ich empfinde das aber ganz im Sinne des Titels als eine Suche: Diese Gesellschaft, das aristokratische und irgendwie snobistische Umfeld mit ihren Egomanen und Macken und Fehlern etc. hat sich Marcel nicht ausgesucht, er ist da nunmal geboren, hat da gelebt, und irgendwo mitten darin gibt es irgendetwas unsagbar kostbares, das er mühsam, Stück für Stück, herauszuschälen sucht - nicht mit platter Poesie, sondern mit penibel genauer Beobachtung und Beschreibung. Dass er dabei rücksichtslos die Irrationalitäten, Verrücktheiten und verschiedenen Arten des Selbstbetrugs aufdeckt, mag mancher für bissig oder ironisch halten, ich finde es macht diesen Kern, um den es geht, nur glaubhafter und schöner.
    Also ich glaub es geht gar nicht darum, über irgendeinen gesellschaftlichen Tellerand zu blicken, genausowenig wie es später wirklich um die politische Auseinandersetzung der Dreyfus-Affäre geht - das würde den Blick nur unnötig ablenken, denn das, was "gesucht wird", worum es geht, spielt sich nunmal in dieser Blase ab. Wenn das nicht mehr der Fall wird, werden auch andere Schichten miteinbezogen: Im zweiten Band eine Bande vulgärer Mädchen, im Dritten eine Hure.

    Bin natürlich etwas im Nachteil, weil ich auf Französisch lese, und so erstens vom Klang der Sprache sicher hin und wieder verführt werde und zweitens andere Ebenen wie Ironie etc. schwerer erkennen kann - auch nicht immer alles verstehen kann.
    kann sein, dass, ganz im gegenteil, ich etwas im hintertreffen bin: ich bin ja grade mal bei der hälfte angelangt.
    ganz interessant fand ich: das klingt so, als setztest du proust mit dem ich-erzähler gleich, stimmt das?
    dass es dabei, trotz (vermeintlicher) charakterentblößungen letztendlich um die menschen geht und aus prousts schreiben liebe/bereitschaft zur liebe für die menschen spricht, davon bin ich auch auf anhieb überzeugt.
    auch das mit dem "allwissenden ich-erzähler" muss gar nicht so sein, hab ich mir nochmal überlegt, schließlich ist das ja sozusagen rückblickend niedergeschrieben und demnach könnte der erzähler ja auch alles von anderen leuten in erfahrung gebracht und dann niedergeschreiben haben können.
    kommt für mich jedenfalls in eine riege mit thomas mann oder arthur schnitzler, dieser schreibstil, was mir sehr zusagt.
    When we are inhuman we're one with the birds

  2. #2
    Pablo Honey Avatar von simon
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    Standard AW: So many books, so little time

    Dann sind wir uns ja alles in allem doch recht einig.
    Jedenfalls... mit dem Ich-Erzähler: Nein, den mit Proust gleich zu setzen würd ich mich eigentlich hüten. Mag es gar nicht gern, Literatur biographisch zu erklären. Und ich weiß auch zu wenig über Prousts Leben, um sowas behaupten zu können. Falls du wegen "Marcel" fragst: so wird der Ich-Erzähler soweit ich weiß an einer (!) Stelle genannt.

  3. #3
    The Eraser Avatar von David
    Registriert seit
    04.12.2006
    Beiträge
    161

    Standard AW: So many books, so little time

    haha, achso, dann ist das klar.
    ich deute immer gerne autobiographisches in texte hinein, aber die erzähler-autor-trennung versuche ich trotzdem (das ist eigentlich gar kein "trotzdem") generell aufrecht zu erhalten. (wo bleibt sonst der literaturwissenschaftliche anspruch )
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