Hallo Radiohead-Forum.

Ich bin noch ganz neu hier und ist ja leider nicht so viel los im Moment. Ich hab eine Kurzgeschichte mitgebracht, die etwas mit Radiohead zu tun hat und mich würde mal interessieren, ob sie Radiohead-Fans überhaupt gefällt.


Thom Yorke

Wir hatten wieder einmal nicht gestritten. Unsere Beziehung plätscherte vor sich hin. Ehemals reißender Schmelzwasserfluss am Berghang, jetzt flüsterndes Rinnsal zwischen Felsvorsprüngen. Wir waren uns in einer Schneelandschaft begegnet. Sehr emotionale Menschen, waren wir nie. Trotzdem hatte unser Aufeinandertreffen die Jahreszeiten weiterdrehen können. Aus Winterkälte wurde Frühlingswärme wurde Sommerhitze wurde das, was jetzt ist. Ein milder Herbst, der von der Vergänglichkeit der Liebe erzählt.
Bilder, ja, die hatten wir zu Genüge im Kopf, nur das Herz kann dem nicht folgen. Wir wissen beide, dass ein neuer Winter naht und dass wir dann wieder am Anfang stehen werden und nichts gelernt haben.
Ich hatte eine Idee. Es gab da einen Mann, der Verantwortung für uns übernommen hatte, ohne es zu wissen. Sarah hielt mich für verrückt, als ich ihr sagte, ich hätte Thom Yorke eingeladen.
„Was hat denn Thom Yorke mit uns zu tun?“, fragte sie und wieder reichte es nicht aus für einen Streit, als ich ihr erklärte: „Er hat diese Bilder in uns gepflanzt, diese Bilder einer Liebe, an der wir nur scheitern können.“

Kill me, Sarah, kill me again with love.

Sie verstand noch nicht, dass wir Thom Yorke zur Rede stellen mussten, nicht nur weil wir beide, aufgrund eines seiner Songs zusammengefunden hatten, sondern auch, weil er zu große Sehnsüchte in uns erweckt hatte. Er hatte uns Ansprüche an die Liebe stellen lassen, die im Alltag nicht zu erfüllen waren.
Da klopfte es an der Tür und Sarah sah mich nur misstrauisch an, denn ich sagte: „Das muss er schon sein.“
Ich öffnete und auf dem Flur stand dieser eher kleine Mann, dessen Augen keinen eindeutigen Ausdruck kennen, Augen, die immer suchend durch einen leeren Raum tasten.
Ich ließ ihn ein und Sarah meinte nur skeptisch: „Das soll Thom Yorke sein?“
Thom sagte abwesend, als er in die Wohnung trat: „Ich lass mein Haar wachsen, ich lass mein Haar wachsen. Ich bin Jim Morisson.“
„Ist schon gut, Thom.“, empfing ich ihn, nahm ihn an der Hand, Sarah an der anderen und führte sie an den Tisch in unserer karg eingerichteten Wohnküche. Dort nahmen wir Platz. Sarah sträubte sich nur ein wenig, fragte: „Warum spricht er deutsch?“
„Damit wir ihn verstehen.“, antwortete ich. *

Sie wendete sich zu Thom. „Wie sind Sie hier hergekommen?“
„In einem schnellen deutschen Auto. Ich bin erstaunt, dass ich noch am Leben bin, ein Airbag hat mich gerettet.“
Sarah sah Thom an, sah mich an. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Er muss noch verwirrt sein.“
„Seele zerstört durch schlaue Spielsachen für kleine Jungs.“*
Ich wertete das als Zustimmung, denn Thom schien endlich zu sich zu kommen, sagte: „Bitte vergiss die Worte, die mir gerade rausgeplatzt sind. Das war nicht ich, das war mein seltsam schleichender Zweifel.“*Dann: „Für eine Minute, habe ich mich verloren.“
Sarah konnte dem Ganzen nicht folgen. Saß uns am Küchentisch gegenüber und meinte: „Das ist totaler Irrsinn.“
„Wenn du mich jetzt aufgibst, werde ich enttäuscht sein, wie nie zuvor.“, sagte Thom eindringlich und seine Worte hätten meine sein können.
Er drehte sich zu mir. „Du hast mich in das hier verwandelt. Ich wünschte, ich wär kugelsicher.“
„Ja, das tun wir alle, Thom.“
Sarah sagte wieder: „Das ist totaler Irrsinn, Rainer, merkst du das nicht?“
Thom flüsterte leise in sich hinein: „Wenn ich bloß der sein könnte, den du haben wolltest.“*und ich bat Sarah darum, sich einfach darauf einzulassen. Vielleicht konnte er uns helfen, ein paar Dinge zu begreifen.
„Wie soll dieser, dieser, ich weiß nicht mal wer oder was er ist. Wie soll der uns helfen?“
Thom: „Du erinnerst dich nicht. Du erinnerst dich nicht. Warum erinnerst du dich nicht an meinen Namen?“
Sarah: „Du bist nicht Thom Yorke.“
Thom: „Wenn ich König bin, stell ich dich zuerst an die Wand, mit deiner Meinung, die so unmaßgeblich ist.“
Sarah: „Rainer, hörst du das? Mach dass er aufhört!“
Thom: „Dein Ehrgeiz lässt dich ziemlich hässlich aussehen.“
Sarah: „Rainer, du kannst nicht zulassen, dass er so mit mir redet.“
Thom: „Könntest du bitte den Krach stoppen, ich brauche ein wenig Ruhe vor all den Stimmen ungeborener Hühner in meinem Kopf.“
„Beruhigt euch wieder.“, sagte ich, doch Sarah war schon vom Tisch aufgestanden und blickte wutstarrend auf Thom hinab.
„Sarah, siehst du jetzt ein, was ich meine?“
„Nein.“
„Du streitest mit ihm.“
„Natürlich.“
„Mit mir streitest du nie.“
„Warum auch? Wir haben uns gar nichts mehr zu sagen, worüber sollten wir schon streiten?“
Da begriffen wir beide, dass sie mich schon lange nicht mehr liebte und das sagte ich ihr auch, sagte: „Du liebst mich nicht mehr.“ und ohne Streit verschwand sie aus der Küche, verschwand sie aus der Wohnung, ohne ein heilendes Krachen der Tür, nur mit einem leisen Klicken und den Worten: „Rainer, wahrscheinlich hast du recht.“ *

Das ist noch nicht lange her. Thom sitzt noch immer bei mir am Küchentisch. „Das beste was du jemals hattest, ist jetzt fort.“, sagt er. Ich flüstere nur still in mich hinein: „Ich weiß nicht mal, ob ich sie noch liebe, wir haben uns so schnell auseinander bewegt.“
Thom: „Werd nicht sentimental, das endet immer in Geschwafel.“
Ich: „Das musst gerade du sagen.“
Thom: „Hör auf zu flüstern, fang an zu schreien.“
Ich: „Halt die Fresse, Thom.“
Thom: „Ich bin kein Gemüse. Ich werd mich nicht zügeln. Ich spucke in die Hand die mich füttert, werd mich nicht kontrollieren.“
Ich: „Du machst mich noch wahnsinnig!“
Thom: „Das ist was du kriegst, wenn du dich mit uns anlegst.“
Ich: “Lass mich allein!“
Thom: „Die bekümmerten Worte einer gestörten Seele und ich versteh noch immer nicht, was dich auffrisst.“
Ich: „Na dass es mich kaum stört, dass sie mich nicht mehr liebt.“
Thom: „Du tust dir das selbst an und das ist es, was wirklich schmerzt, dass du es dir selbst antust und niemand sonst.“
Ich: „Was soll das denn heißen?“
Thom: „Sie lebt mit einem gebrochenen Mann, einem Mann aus geborstenem Styropor, der nur zerbröckelt und verbrennt.“
Ich: „Alles ihretwegen, nur ihretwegen.“
Thom: „Vergiss dein Kartenhaus und ich bau meins.“
„Das hier ist Irrsinn.“, schreie ich jetzt endlich.
Thom meint nur: „Die Panik, die Kotze, Gott liebt seine Kinder, Yeah!“
Ich wieder: „Das ist Irrsinn.“
Thom sagt mitleidig: „Du sitzt nur da, wünschst dir, du könntest immer noch lieben.“
Ich spüre ein Schlingern. „Es ist endgültig vorbei, nicht wahr?“
Thom sagt: „Heute fliehen wir.“
Das Schlingern wird stärker. „Bin ich endgültig verrückt geworden?“, frage ich ihn.
„Die Schwerkraft siegt immer.“, antwortet er nur.

Ich sitze am Tisch meiner karg eingerichteten Wohnküche. Thom Yorke steht auf und geht.

Wir trennen uns wie Wellen an einem leeren Ufer. * *